Geschichte
Die ersten Spuren der türkischen Militärmusik reichen mindestens 12.000 Jahre zurück: Die Frühtürken ‚Akyüz‘ haben sich in der Kunst der Akın- Obeliskenschriften schlagend eingeschrieben. Vor 8.000 Jahren, ja sogar noch früher schlugen sie während der heiligen Feier die Trommeln. Türkistan, Anatolien, Kaukasus, Mesopotamien bebten bei jedem Trommelschlag. Und dieser Brauch setzte sich fort. Immer wieder bei öffentlichen Zeremonien, in der Armee, gruppenweise mit anderen Instrumenten, dirigierte der Kommandant die Soldaten mit einem Tamburstab. Auch in den Orhun (Göktürk) -Inschriften vom 6. Jahrhundert wird über die Trommel berichtet, die als die Mutter der Mehtermusik gilt. Von der Janitscharenkapelle gespielt, ertönte sie beim königlichen Bannerhissen. Im 11. Jahrhundert schrieb Kaşgarlı Mahmud in seinem Buch „Divan-ü Lugat-it Türk“, dass die Trommel in Gegenwart des Sultans zum Wachdienst (nevbet) geschlagen wurde. Die alten Sultane schrieben der Zahl 9 eine hohe Stellung zu. Daher bestanden die Zeremoniengruppen aus 9 Reihen. In den Reihen waren Trommeln, Schellen, Kesselpauken, Horn- und Oboenspieler und 2 Vortragende (çevgani), die zugleich auch Schellenspieler waren. „Die Wolken formieren sich. Der Königswächter schlägt die Trommel, Blitze zucken. Der Sultan hisst seinen Banner.“ Mit diesem Motto zogen die Oğuz-Türken tausende Jahre später aus Türkistan erneut in das Vaterland Anatolien. Die Trommel als das Symbol der Souveränität und die Bräuche vom Fahnen- und Bannerdienst dauern seit dem an: von den Karahans zu den Seldschuken, von den Ilhans zu den Mamelucken und schließlich zu den Osmanen. Der Seldschukenherrscher Gıyasettin Mesut II. sandte dem Osman Bey von Kayı (dem Gründer des späteren Osmanischen Reiches) neben dem Unabhängigkeitserlass als Zeichen der Souveränität auch den Banner und die Trommel. Der Banner geziert mit Rosshaarquasten galt als Königssymbol, denn Rosse waren für Türken sehr nützliche und wertvolle Tiere. Die Mehtermusik erzählt die Macht der Souveränität: Mehtermusik im Krieg, bei der Belagerung des Feindes, während der Schlacht auf See und beim Empfang ausländischer Botschafter. Die Janitscharenkapelle im osmanischen Reich entwickelte und entfaltete sich immer mehr zur Stimme der Staatsmacht, sowohl im Krieg als auch im Frieden. Es wurde jeden Tag 5-mal zum Wachdienst (nevbet) getrommelt. Die Janitscharenkapelle ging der Armee voraus und stärkte auf dem Schlachtfeld den Kampfesmut der Soldaten, strahlte solch eine Kraft aus, dass es den Feind zermürbte und Angst und Schrecken einjagte. Ihre Musik war kilometerweit zu hören und zu spüren.
Die Europäer, die die Kraft der Mehtermusik erkannten, führten dann auch in den eigenen Armeen ähnliche Kapellen ein. Zuerst Polen, dann Österreich, dann Russland, Preußen und schließlich Frankreich. Die Wurzeln der heutigen Armeemusik gehen auf die Mehtermusik zurück. Mozart, Beethoven, Haydn, Wagner und viele andere Komponisten waren beeindruckt von der Mehtermusik und spiegelten diese in ihren Werken wieder. Im 18. Jahrhundert entwickelte sich daraus ein neuer Musikstil: die Alla-Turca- Musik. “Türkenopern” erfreuten immer häufiger das europäische Publikum. Es entstanden reine Instrumentalstücke im “alla-turca”-Stil, Türkische Märsche, Kompositionen für Harmonie und Janitschareninstrumente sowie Bearbeitungen für “vollständige türkische Musik”. Selbst Klaviere wurden eigens mit einem Janitscharenzug (Pedal für “türkische Musik”) ausgerüstet. Bis ins frühe 19. Jahrhundert diente die türkische Musik in Europa als Inspirationsquelle. Die Klangbeispiele vermitteln eine Vorstellung davon, auf welch vielfältige Weise die abendländische Musik durch die Einbeziehung der türkischen Klänge bereichert wurde.Das Tonsystem, bestehend aus 24 Tönen, und die Tonfolge der Mehtermusik zeigen wie sehr sie die Besonderheiten der türkischen klassischen Musik beinhalten. Anfangs wurde die Kesselpauke, die einer riesigen Schüssel aus Messing ähnelte, mit Kamel- oder Büffelleder bezogen und nur in der Kapelle des Sultans gespielt. Die Kesselpauke erzählte die wichtigsten Ereignisse mit kraftvollen Tönen. Es gab den Kesselpaukenschlag für freudige Überraschungen und wieder andere Trommelschläge, die z.B. eine bevorstehende Wanderung ankündigten. Das älteste Schlaginstrument der Türken, die Trommel, besteht aus einem runden Holzrahmen, der auf beiden Seiten mit Leder überzogen ist. Das Leder ist mit dehnbaren Riemen über den Rahmen gespannt. Bei den alten Türken symbolisierte die Trommel die Sonne und jahrhundertelang zusammen mit dem Banner die Herrschaft. Bei Volkstänzen und auf Dorfhochzeiten und in den Nächten des Ramadan werden die Trommeln eingesetzt. Die Nakkare, eine Kesselpauke, besteht aus 2 mit Leder überzogenen Kupferschalen. Zu Beginn spielte der Trommler auf dem Boden sitzend, später gehend. Dazu wurden sie dem Spieler an die Hüfte gebunden. Heutzutage werden sie an der Brust gehaltend gespielt. Sein Ton füllt die stillen Zeiträume der Takte und haucht der Melodie Leben ein. In einer Janitscharenkapelle wird die Melodie allein durch die türkische Oboe gespielt. Dieses Instrument, nach unten hin breiter werdend, ist aus Holz, hat 7 Löcher und wird von dem ersten Oboeisten gespielt.
Die Janitscharentrompete, die einst aus Bronze, später dann aus Messing angefertigt wurde, nimmt bei den Aufführungen in den langen und hohen Tonlagen ihren Platz ein. Sie hat eine klare Stimmbildung. Schriftlichen Überlieferungen aus dem 12. Jahrhundert zufolge war die türkische Trompete unter dem Begriff „Nay-i Türk-i“ bekannt. Das Schelleninstrument ist ein 1m- langer Stab, der an seinem Ende eine halbmondförmige Einrichtung hat, die mit 8-10 Schellen besetzt ist. Er gibt den Rhythmus vor. Die Schellenspieler sind zugleich auch die Vortragenden. Ihre Anzahl ist doppelt so hoch wie die Anzahl der anderen Instrumente in der Kapelle. Die kreisförmige T-Schelle mit den hohen und schneidigen Tönen ist ein Instrument, um den Takt anzugeben. Die besten T-Schellen der Welt, die aus einer Mischung aus Zinn, Kupfer und etwas Gold bestehen, werden in der Türkei produziert und sind in vielen Ländern unter dem Namen Türken-Cymbol oder Türken-Schelle bekannt. Der T- Schellenschläger bringt die Schellen entweder in der horizontalen oder in der vertikalen Lage zum Klingen. Die Musiker gehen beim Spielen. Dabei drehen sie sich nach jedem dritten Schritt erst leicht nach rechts und dann nach links und begrüßen die Anwesenden. In der vordersten Reihe kommt der Janitscharenoberst (çorbacıbaşı), er ist der Staffelführer. Dahinter kommen die gepanzerten Wächter, die die rote Fahne, die den Staat, die weiße Fahne, die die Souveränität und dann die grüne Fahne, die den Islam symbolisiert, tragen. Dann kommen in drei Reihen 9 Banner, wobei der Angriffsbanner (Hücum tuğ) der größte ist, danach der Kapellenführer (Mehterbaşı), dann der Reihenfolge nach die Schellenspieler, die Oboenbläser, die Trompeter, die Kesselpaukenspieler, die T-Schellenspieler, die Trommelspieler und dann zum Schluss auf den Pferden die großen Kesselpaukenschläger. Die Sazspieler tragen rote Kostüme, die anderen blaue. Die Musik der Janitscharenkapelle, die über Jahrhunderte hinweg die Pracht des Osmanischen Reiches pries, breitete sich langsam erst unter den Wesiren, dann unter den Gouverneuren und nach dem 18. Jahrhundert dann auf eine degenerierte Art und Weise im ganzen Reich aus. Mit dem Machtverlust der Osmanen verlor auch die Janitscharenkapelle ihren Gründungssinn. 1826 löst Mahmud II. das Janitscharenregiment und ihre Kapelle auf. An dessen Stelle wurden Militärkapellen nach dem europäischen Modell aufgebaut. Dass die Mehtermusik nach 1914 wieder gespielt wird und auch wieder zur Wache aufschlägt, haben wir den Bemühungen des Schriftstellers Celal Esad Arseven und des Direktors vom Armeemuseum Ahmed Muhtar Pascha zu verdanken.
1917 gründete Enver Pascha, wenn auch nur für kurze Zeit, die Janitscharenkapelle innerhalb des Militärs in den Museumsräumen der Aya Irini im Topkapi-Saray. Heute ist die Mehterkapelle in Harbiye – İstanbul, beginnend im Jahre 1953, auf Wunsch des Generalstabschefs nach systematischer Recherche im Rahmen des Militärmuseums in 6-facher Besetzung gegründet worden. Ihr folgten dann zahlreiche Neugründungen.
Die Geschichte der Mehtermusik/Janitscharenkapelle (Quellen: Necmettin Şahiner, Mehter ve marşları; Askeri Müze Harbiye-İstanbul, Karlsruher Türkenbeute)